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28.1.2017

Lutz Hübner und Sarah Nemitz haben für das Staatstheater Karlsruhe das Libretto für die Oper WAHNFRIED geschrieben (Komponist: Avner Dorman) - die umjubelte Uraufführung war am 28.1.17. 

Ein lesenswertes Interview mit Avner Dorfman finden Sie beim SWRlesen Sie hier ein Interview von Hübner/Nemitz mit der dpa anlässlich der Produktion. (Foto: Falk von Traubenberg) 

"Stück zur Zeit", kommentiert Gerhard R. Koch in der FAZ zur Uraufführung. "Im Text der einundzwanzig locker aneinander gereihten Szenen mischen sich frei Erfundenes und originale oder zumindest Als-ob-Anspielungen. Das gibt dem Libretto einen nicht geringen Unterhaltungswert." Doch nicht nur die Historie werde wach, "auch die Gegenwart schlägt herein: Einheit oder Reinheit des Volkes, scharfes Freund-Feind-Denken, Kampf wider alle 'zersetzenden' Tendenzen werden von der Rechten immer lauter propagiert; und nicht zuletzt die Sehnsucht nach dem 'starken Mann' wird größer. Insofern kommt Dormans Stück zur richtigen Zeit." FAZ , Gerhard R. Koch, 30.01.2017

Auch Jörn Florian Fuchs in BR Klassik (29.1.) zeigt sich sehr angetan von der Uraufführung: "Wenn Chamberlain die angeblichen Vorzüge der arischen Rasse preist, klingt dies wie eine Tanznummer aus einer düsteren Operette - großartig! Justin Brown sorgt am Pult der Badischen Staatskapelle für Präzision, Dynamik, Kraft. Das Publikum jubelt. Ein toller Abend!"

Stefan Dettlinger vom Südkurier schrieb (29.1.): "Kein einfacher Stoff. Doch der harte Uraufführungstobak wird am Ende just 13 Minuten lang beklatscht, nein: bejubelt (...). Wann hat es das zuletzt gegeben bei einer Uraufführung!"  Das Libretto halte überraschende und starke Wendungen bereit. "Der Abend funktioniert. Mit einem selten gewordenen Mittel in postdramatischen Zeiten, linearer Erzählung, beglückt er ein bürgerliches Theaterpublikum. Ist dagegen etwas einzuwenden? Wieder Nein! Denn genau an dieses Publikum richtet sich Musiktheater doch immer noch weitgehend, hier erlangt es Relevanz."  

Susanne Benda von der deutschen Bühne stellt fest, "das Badische Staatstheater Karlsruhe mit der ersten Musiktheater-Uraufführung seit elf Jahren bewiesen, dass Humor und Ernsthaftigkeit auch beim künstlerischen Nachdenken über die deutsche Vergangenheit auf fruchtbare Weise zusammenkommen können. Das Publikum, irritiert, aber auch gepackt, bejubelt das janusköpfige Werk (...)." Die Oper sei, so Benda, "schon deshalb einen Besuch wert, weil es beweist, dass sich Leichtigkeit und Tiefe sogar beim dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte nicht ausschließen müssen." (29.1.)

"Mit Lutz Hübner und Sarah Nemitz haben die derzeit meist gespielten deutschen zeitgenössischen Theaterautoren ein Libretto geschrieben, das im besten Sinn einen Spagat meistert." so Elisabeth Meier im OPUS Kulturmagazin vom 30.1. "Obwohl Nemitz’ und Hübners Sprache ein hauchzarter Humor innewohnt, bringen die Librettisten die politische Dimension der Oper brillant auf den Punkt. Sie reißen das Publikum in den Sog einer Kulturgeschichte, die bis heute tot geschwiegen wird. Schön spiegeln Dormans Musik und das kluge, poetisch starke Libretto, was die Wagersche Herrenmenschenideologie mit den Menschen macht." Gerade in einer Zeit von Populismus, Rassismus und Intoleranz auf der Weltbühne, sei es eine große Qualität dieser politischen Oper, Debatten zu entfachen und für "radikale Vergangenheitsbewältigung" zu stehen.

Die dpa (29.1.) sieht in dem Libretto einen weiteren Beweis, dass Hübner und Nemitz das "Dramatiker-Handwerk" beherrschen: "'Wahnfried' strotzt vor Wortwitz, Anspielungen und skurrilen Figuren: Da gibt es einen 'Wagnerdämon', Hitler wird von einem lyrischen Tenor gesungen, der russische Anarchist Bakunin schmeißt zusammen mit dem jungen Wagner Bömbchen, und der Chor der Wagnerianer unterfüttert alles mit besserwisserischen Plattitüden." Das Werk sei "musikalisch von atemberaubendem Tempo und voll mit schwarzem Humor. Entsprechend begeistert reagierte das Premierenpublikum." Denn: "Intrigen, Machtkämpfe, Zwangsjacken, Hass, Rassismus, Intoleranz: Das ist der Stoff für große Oper."

Nike Luber schreibt in der Südwestpresse (31.1.): "'Wahnfried' ist ein bitterböses Stück, das ausgesprochen unterhaltsam daherkommt. (...) Das Ergebnis lässt sich mühelos hören und verstehen, ohne trivial zu werden." Auch Luber sieht eine besondere Relevanz des Themas angesichts heutiger politischer Ereignisse: "'Wahnfried' ist eine musikalische Geschichtsstunde, die spannend und kurzweilig viel erklärt, was jenseits von Bayreuth auch heute wieder aktuell ist.

Das O-TON KULTURMAGAZIN schreibt in seiner Ausgabe vom 30.1., Hübner und Nemitz haben ein Libretto verfasst, "das Schauspielformat und damit alleine Bestand hat. Es ist reich an Zitaten und Anspielungen, eine scharfzüngig überspitzte Satire, die kenntnisreich kritisch den Wagner-Zirkel einfängt und ein Psychogramm von Houston Stewart Chamberlain auf seinem Weg in den inneren Kreis bis zu seinem Ausstoß in einzelnen Szenen aufzeigt".