Inhalt

"Ich tauche ein in das Getöse einer Gleichzeitigkeit von verliebten Kindern, altersfleckigen Mütterchen mit verwaschenen Tattoos im Rücken, von Modeopfern mit Sendungsbewusstsein und Selbstdesignallüren, Arbeitslosen, Kreativen, Schöpfern, Geschöpften, Erschöpften. Ich sehe mir diese Gesichter an, wie sie da einsam nebeneinander sitzen, jeder für sich, aus ihren Leben rauslunsen. Liebevoll eingerichtet, diese Leben, mit Erinnerungen an eine Kindheit und Zentralheizung, damit das kleine Samenkorn der Hoffnung sich nicht erkälten kann. Es soll sich eines schönen Tages ja noch entfalten, sich verwirklichen und endlich 'Ich' behaupten können. Ein Techniker legt verständnisvoll den Arm um eine der unzähligen intelligenten Kameras, die hilflos versuchen, in der Bilderflut Bekanntes auszumachen. Die Wurzeln ihrer Facerecognitionalgorithmen tief im Big-Data-Schlamm, wird sie rettungslos von einem Meer von Bildern an das immer gleiche Ufer gespült.

Heilig!, Heilig!, Heilig!"

Es sind die Gedanken eines Menschen, der aus lauter Verlorenheit eine U-Bahn in die Luft sprengt. Weil sich die Welt vor seinen Augen zerfasert; in Modeströmungen und internationale Konflikte und die Big-Data-Analysealgorithmen des Kapitalismus. Weil sich alles willkürlich aus einem Bauchladen von bunt gemischten Utopien und Styles speist. Weil er sich nach dem einen Moment von Stille sehnt, der nach der Explosion für einen kurzen Augenblick entsteht.
Ein Strom der Bilder wie in einer einzigen langen Kamerafahrt, durch die Bahn, hinein in die Köpfe, durch die Sedimente der Gedanken, getragen vom rhythmischen Teppich des Schlagzeugs. Im sprachlichen Rhythmus hört man Anklänge an die beat poetry, und wie Ginsbergs HOWL in seiner Infragestellung des Mainstreams und der Kritik an der kapitalistischen Konsumgesellschaft scheint auch hier eine moderne Großstadtwelt auf, die zunehmend als unerträglich erlebt wird.
Das Schlagzeug begleitet und konturiert die Transformationen des Protagonisten, in deren Verlauf sich eine lebendige Interaktion von Wort und Perkussion entfaltet. In einer Fülle von Klangfarben intensivieren und verdichten die rhythmischen Impulse die Stimmungen und Atmosphären und bereichern das Stück um eine weitere klanglich-ästhetische Dimension. Die Gedankenströme reflektieren in den perkussiven Klangräumen des Schlagzeugs und gewinnen so an dynamischer Qualität und sinnlicher Tiefe.

Einen Eindruck des gesprochenen Textes mit Schlagzeugbegleitung in 3 Hörbeispielen bekommen Sie hier.

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Autor

René Braun

René Braun (geboren 1981) hat an der Technischen Universität in Hamburg-Harburg Elektrotechnik und am Mozarteum in Salzburg Schauspiel-Regie studiert. Er arbeitet als Regisseur, Autor, Übersetzer für Theaterstücke ...