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"Daedalus träumt" ist eine Theateradaption des Mythos von Daedalus und seinem Sohn Ikarus nach der epischen Dichtung "Verwandlungen" von Ovid. Der Mythos beginnt bei Ovid mit dem Bau eines Labyrinthes von Daedalus, das den Minotaurus einschließen soll. Daedalus' inniger Wunsch nach Befreiung ist das zentrale Thema der Neubearbeitung. Eine Sehnsucht, die von Ovid in ein enges System von Versen geschnürt wurde. Mit Flügeln aus Vogelfedern und Wachs an den Armen fliegen Daedalus und Ikarus davon in die Freiheit. Doch Ikarus stürzt ab, weil er der Sonne zu nah kommt. Damit verliert Daedalus seinen eigenen Sohn. Ist Daedalus' Wunsch zu fliegen also vermessen? Wird er deshalb bestraft? Oder ist sein Wunsch nach Freiheit vermessen? Vermessen, weil er dabei nur sich selbst sieht? Vermessen, weil Freiheit unmöglich ist?

In der lyrischen Adaption des Mythos träumt Daedalus nach dem Verlust seines Sohnes davon, einen Turm zu bauen, der in den Himmel ragt und den Menschen die ersehnte Freiheit schenkt. Ein Traum von der eigenen Freiheit, der Befreiung der Menschen, ein Traum von der Befreiung aus der Sprache ins Leben. Doch auch im Traum holt ihn die Vergangenheit ein. Daedalus ist eine Figur des Fortschritts, welche die Folgen ihrer Taten unterschätzt. Dass sich seine Taten immer wieder als Fehler entpuppen, bringt ihn schließlich dazu, alles in Frage zu stellen - sogar die Geburt seines eigenen Sohnes. Die Verwandlung spielt im Stück eine wesentliche Rolle. Die Verwandlung aus dem Wunsch nach stetiger Veränderung und Fortschritt als Flucht. Im Mythos verwandelt sich Daedalus, um aus Minos' Mauern zu fliehen. Minos ist der König der Fremde, in die Daedalus gesperrt ist. Ovid, der über Daedalus' Verbannung schrieb, wurde später selbst verbannt. Auch ihm wurde sein Werk zum Verhängnis.

Innerhalb einer großen Collage beleuchtet Seidel die Verbindungen und Abhängigkeiten von Ovid, Minos, Daedalus und Ikarus und behandelt mit Ovids "Verwandlungen" ein Urthema des Theaters.

DAEDALUS TRÄUMT (AT) war am 27. und 28. November 2010 in Form einer Werkstattinszenierung am National Stary Theater in Krakau in der Regie von Stephan Seidel zu sehen.

Autor

Stephan Seidel

  • Geboren 1983 in Halle an der Saale.
  • Literatur- und Philosophiestudium in Potsdam und Berlin.
  • Seit 2004 Theater-/ Autor- und Regiearbeiten an div. nationalen und internationalen Theatern - ...