Ein eMail-Interview, Mai 2005:

Sie haben Ihre Radiokarriere mit einer Ausbildung zum Radiojournalisten im SR begonnen. Bleibt diese professionelle Herkunft in Ihrer heutigen Arbeit spürbar?
lch hatte das Glück, vor fünfundzwanzig Jahren beim Saarländischen Rundfunk Dr. Garber zu begegnen, einem Programmdirektor, dem eine fundierte Ausbildung seines Mitarbeiternachwuchses sehr am Herzen lag. Er nahm sich damals die Zeit, einen zweijährigen Ausbildungsweg für Rundfunkvolontäre zu erarbeiten, den es in dieser Weise beim SR noch nicht gegeben hatte. Am Ende meiner Ausbildung zum Rundfunkjournalisten hatte ich gelernt, wie eine Rundfunkanstalt in der ARD redaktionell, produktionstechnisch, sendetechnisch, juristisch und organisatorisch arbeitet. Noch während dieser Ausbildung traf mich der Blitz - als ich zum ersten Mal ein Hörspielstudio betrat. Ich war fast dreißig Jahre alt und hatte bis zu jenem Augenblick noch keinen Gedanken daran verschwendet, welchen Beruf ich einmal ergreifen würde. Von jenem Augenblick an aber war es klar: ich wollte Geschichten erzählen - im Radio. Und so folgte dem Rundfunkvolontariat eine weitere, zweijährige Ausbildung im Hörspielstudio des SR. Der Blitz, der mich damals traf, ist, so hoffe ich, auch heute noch in meiner Arbeit spürbar.

Sie haben niemals einen Stoff dramatisiert und ihn dann nicht selbst inszeniert. Wie sehen Sie den Zusammenhang zwischen dem Bearbeiter und dem Regisseur Norbert Schaeffer?
Daß ich bisher alle Texte, die ich fürs Hörspiel bearbeitet habe, auch inszeniert habe, liegt daran, daß ich bisher immer um beides gebeten wurde. Einen Text zu bearbeiten, heißt, ihn auf eine Weise zu interpretieren, ihn zu inszenieren, heißt, ihn auf andere Weise zu interpretieren. Es steht mir nicht zu, weder das eine noch das andere zu fordern. Ob ich geeignet bin, den Text eines Autors angemessen zu interpretieren, kann nur eine Hörspielredaktion entscheiden. Entscheidet sie sich aber für mich als Bearbeiter oder Regisseur, schenkt sie mir ihr Vertrauen - und das brauche ich zuweilen mehr als Leidenschaft oder Handwerk.

In verschiedenen Interviews haben Sie auf die Diskrepanz zwischen dem schieren Seitenumfang einiger literarischer Vorlagen und der notwendigen Kürze der jeweiligen Hörspielmanuskripte rsp. Hörspiele hingewiesen. Was bedeutet dieses Faktum für Ihre Arbeit als Bearbeiter?
Liegt mir ein Roman vor von, sagen wir, 500 Seiten, die ca. 1000 Leseminuten entsprechen, und bietet mir der Sender für die Bearbeitung zweimal 55 Minuten Sendezeit an, komme ich erstmal ins Grübeln. Als Bearbeiter fühle ich mich einerseits als Anwalt des Autors, andererseits respektiere ich die finanziellen und produktionstechnischen Möglichkeiten eines Senders. Reizt mich der Text und sehe ich eine Chance, den Text angemessen umzusetzen, sage ich zu. Auf der Basis einer detaillierten Inhaltsangabe diskutiere ich dann mit der Dramaturgin/dem Dramaturgen über Inhalt und Form der Bearbeitung: Was interessiert uns am stärksten an dem Text? Was wird inhaltlich gebraucht? Welche Stränge lassen sich kürzen? Brauchen wir einen Erzähler, brauchen wir Monologe? Und was läßt sich von den knapp 90% des Textes, die zunächst rein rechnerisch unter den Tisch gefallen sind, verdichten, durch Rhythmus, Geräusch, Musik "übersetzen" und somit in die Bearbeitung integrieren. Diese Zusammenarbeit mit den ARD-Hörspieldramaturgen hat mir bisher noch immer geholfen, das Werk eines Autors nicht zu verstümmeln.

Im Amerika der späten 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts war das Radio ein bloßes Anhängsel Hollywoods. Heute nehmen Radioadaptionen erfolgreicher Prosawerke einen großen Raum im Programm der ARD ein. Sie haben als Regisseur sehr viele Originalhörspiele inszeniert, als Bearbeiter aber auch die Werke von Bestsellerautoren für den Hörfunk bearbeitet. Womit haben Sie der Kunstform Hörspiel den größeren Dienst erwiesen?
Diese Frage können Ihnen nur die Kolleginnen/ Kollegen aus den Hörspielredaktionen beantworten.

Wie würden Sie Ihre wesentlichste Aufgabe als Regisseur definieren?
Dem Autor gerecht zu werden und den Hörer nicht zu langweilen.

Können Sie beschreiben, welche Rolle den Schauspielern in Ihren Produktionen zukommt und welchen künstlerischen Einfluß sie haben?
Sie haben den allergrößten Einfluß. Als Regisseur besetze ich ja nicht Stimmen, sondern Menschen. An diesen Menschen fasziniert mich ihre Phantasie, ihr Temperament, ihr Charakter, eigentlich ihr Leben (das ich in den allermeisten Fällen gar nicht kenne, das sich aber in der Art, wie sie arbeiten, ausdrückt). So begebe ich mich in der Zusammenarbeit mit Schauspielern bei jeder Inszenierung auf eine Reise, in eine Welt, die ich vorher nicht gekannt habe. Und alle diese Welten kann ich sorgenfrei betreten: Verführen mich die Schauspieler zuzuhören, wird das Hörspiel auch die Hörer verführen. An Ihren Inszenierungen fällt auf, daß Sie häufig akustisch zu komponieren, das heißt, sehr musikalisch zu denken scheinen, zum Beispiel arbeiten Sie gerne mit akustischen Leitmotiven, wie dem Rattern des Kopierers in "Magdalena" oder dem zum Schnaufen einer Dampflok montierten Atmen in "Zenos Gewissen".
Ich weiß nicht, wie ich denke, vor allem nicht, wie ich bei der Arbeit denke. Ich mache sie einfach.

In einer Zeit, in der die Produktion akustisch hochwertiger Hörspiele auch im Heimstudio möglich ist, scheinen alte Produktionsstrukturen zu teuer oder gar entbehrlich. Wird es die großen Studios der Sender in einigen Jahren nicht mehr geben?
Daß Hörspiele im Heimstudio hergestellt werden können, ist nicht neu. Seit den fünfziger Jahren, als jedermann schneidbare Tonträger erwerben konnte, ließen sich Hörspiele auch zu Hause auf Tonbandmaschine und Tonband herstellen. Heutzutage gibt es Computer. Deren Festplatte ersetzt das Tonband, deren Aufnahme- und Montagesoftware Tonbandmaschine und Mischpult. Das Werkzeug ist neu, doch die Probleme sind die alten: Vor der Montage eines Hörspiels steht die Aufnahme. Und die bedingt - wenn das Hörspiel nicht ausschließlich aus bereits aufgezeichnetem Material (MC, CD, DVD oder Radiomitschnitten) produziert wird - neben hochwertigen Mikrophonen vor allem gute Klangräume und gute reflexionsarme Aufnahmeräume. Über letztere verfügen nicht einmal die meisten semiprofessionellen Studios.
Nun ist die Herstellung eines Hörspiels ein arbeitsteiliger Prozeß. Im Heimstudio bin ich Autor, Dramaturg, Regisseur, vielleicht auch noch Sprecher, Musiker, Geräuschemacher, in jedem Fall aber Toningenieur und Techniker in einer Person. Und wenn Urheber- oder Leistungsschutzrechte ins Spiel kommen, sollte ich auch noch ein bißchen Jurist sein. Das schafft einerseits viel Raum für Spontaneität und Freiheit in der Arbeit, erspart auch viele Diskussionen, reduziert allerdings die Qualität meines Hörspiels notwendigerweise auf den kleinsten gemeinsamen Nenner meiner vielfältig erforderlichen Fähigkeiten. In einem ARD-Hörspielstudio darf ich mich auf das besinnen, was ich kann. Dort arbeite ich zusammen mit Menschen, die ihre Ausbildung, ihr Wissen, ihre Erfahrung, ihr Engagement, ihr Temperament und ihre Phantasie in jedes Hörspiel einbringen und damit meine eigenen, engen Grenzen aufheben: plötzlich ist alles möglich. Und deshalb sind diese "Produktionsstrukturen", auch wenn manche sie als "alt" bezeichnen, die einzigen, die nicht veralten.

Ob wir sie uns künftig noch leisten können?
Ich denke, das Radio - wenn es sich nicht als reine Abspielstation versteht - kann es sich nicht leisten, auf Ausbildung, Wissen, Erfahrung, Engagement, Temperament und Phantasie seiner Mitarbeiter zu verzichten.

Interaktivität, hohe Mobilität und permanente Verfügbarkeit werden in immer höherem Maße zu Anforderungen an alle Medien. Wie sehen Sie die Zukunft des Radios?
Sie liegt in den Händen der Hörer, d.h. in ihrem Anspruch an sich selbst und damit an uns.